Wir waren im Orbit

Also genau genommen „In Orbit“, denn so heißt die Installation von Tomás Saraceno, die bis Ende letzten Jahres im K21 in Düsseldorf zu sehen war Mitte des Jahres im K21 in Düsseldorf zu sehen ist. (Sie wurde verlängert. Hätten wir uns gar nicht so beeilen müssen.)

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(Leider vor lauter Aufregung nur crappy Handyfotos gemacht.)

Die Installation hatten wir bereits Mitte 2013 entdeckt, als wir einen Wandertag zur Wolfgang Tillmans Ausstellung machten, der jedoch hier nicht dokumentiert ist, weil der Wandertag zu dem Zeitpunkt noch nicht erfunden war. Jedenfalls standen wir im Foyer des Ständehauses und guckten staunend nach oben und sagten: „Wie toll! Da müssen wir ganz dringend hin!“ Kaum 25 Monate später war es dann auch schon soweit und wir fanden uns in einem Zug nach Düsseldorf wieder.

Wir fuhren extra an einem Wochentag, denn wir hatten die Hoffnung, daß es dann ein wenig leerer sein würde und man nicht nach zehn Minuten rausgeworfen würde, was einem laut Website zu besonders besucherstarken Zeiten widerfahren könnte. (Spoiler: leer war es, nach zehn Minuten rausgeschmissen wurden wir trotzdem. Pah.)

Erstmal ging es mit dem Aufzug nach oben. Nach ganz oben, bis unters gläserne Dach. Von dort hatte man nicht nur einen schönen Ausblick nach draußen auf Düsseldorf, sondern auch nach drinnen auf das Kunstwerk, weswegen wir hier waren: ein riesiges Netz, das direkt unter der Decke gespannt ist, darunter vier Stockwerke voller Nichts.

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Bevor man den Wartebereich zur Begehung des Kunstwerks betreten durfte, mußte zunächst eine Einverständniserklärung unterschrieben werden. Eine Einverständniserklärung! Für Kunst! Ein Guide bat uns in dann in den abgesperrten Bereich und untersuchte zunächst mal unsere Schuhe. Denn wer kein ausreichendes Profil unter den Schuhen hat, muss welche von den vor Ort vorhandenen Trekkingstiefeln anziehen. (Diana weiß jetzt: Adidas Samba gehen nicht.) Außerdem muss man sämtliche Gegenstände aus seinen Hosentaschen entfernen und im Schließfach verstauen. Man kennt ja schließlich die Geschichten von tödlichen 2-Cent-Stücken, die von Wolkenkratzern fallen … Zu guter Letzt wird man dann auch noch in einen Overall gesteckt. Der war erstaunlich bequem, und während ich noch laut überlegte, welchen Beruf ich hätte wählen müssen, um täglich in so einem gemütlichen Kleidungsstück zu verbringen, rief Diana auch schon „Hella von Sinnen!“. Naja. Hab ich mich von der Overall-Idee doch schnell wieder verabschiedet. (But I get you, Hella! (Vielleicht kaufe ich jetzt einfach einen Onesie für zu Hause.))

Wir steckten also in unserer Kunstbetrachtungsmontur und durften nun zusammen mit unserem Guide und etwa fünf anderen Leuten das Kunstwerk erklimmen. Dazu ging es erstmal eine steile Treppe rauf, die an ihrem obersten Punkt fast ebenso steil wieder runterging, allerdings nicht als Treppe, sondern als Netz. Äußerst langsam und vorsichtig und unter Zuhilfenahme sämtlicher verfügbarer Hände und Füße bewegten wir uns am Rande des Netzes entlang, um uns ein bißchen mit dem Gebilde vertraut zu machen. Das Problem an so einem Netz ist ja, daß es hauptsächlich aus Löchern besteht, durch die man einen perfekten Ausblick auf die 25 Meter Leere unter sich hat. Das veranlasste Diana dann auch direkt zu der äußerst berechtigten Frage, was eigentlich passiert, wenn man runterkotzt. Das konnten wir zum Glück jedoch nicht herausfinden.

Der Guide hatte uns vorher geraten, die Pullis unterm Overall wegzulassen, worüber wir sehr dankbar waren, denn die Kombination aus Angstschweiß (ES IST SO HOCH UND DA UNTEN IST NICHTS!) und Anstrengung (ALLES WACKELT UND MAN MUSS DIE BEINE SO DOLL ANSPANNEN, UM ÜBERHAUPT STEHEN ZU KÖNNEN!) und tatsächlicher Hitze (DAS GLASDACH! DIE SONNE!) sorgte für einen rasanten Anstieg der Körpertemperatur. Bei ungefähr 47 Grad stapften wir also in diesem Netz herum. Und zwar wie ein Storch im Salat. Ein Storch mit ausgebreiteten Flügeln im Salat. Durch die riesigen Maschen im Netz muß man aufpassen, nicht mit der Zehenspitze steckenzubleiben, also nimmt man die Füße immer schön hoch, gleichzeitig ist aber alles wackelig und schwankt, weshalb man zur besseren Balance mit rudernden Armen gegensteuert.

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Nach kurzer Eingewöhnung gelingt das ganz gut und man kann die Fläche (kann man bei einem Haufen Löcher von einer Fläche sprechen?) erkunden. Die ist sehr unterschiedlich: teilweise liegen zwei Netzschichten übereinander (was für das Sicherheitsgefühl tatsächlich ganz angenehm ist), teilweise geht es steil rauf, teilweise ist das Netz ganz stramm, teilweise eher locker, an manchen Stellen sind riesige Bälle ins Netz eingearbeitet (einer davon ist mit Spiegelfolie versehen, was die Surrealität der kompletten Szenerie noch verstärkt), an anderen liegen Kissen herum, die einem das Gefühl geben, in einer riesigen Hängematte umherzuspazieren.

Und während wir gerade anfingen, uns richtig wohlzufühlen und der Spaß über das flaue Gefühl im Magen siegte, rief auch schon der Guide, unsere Zeit sei um und wir müssten jetzt raus. Sehr schade. Ich hätte gern noch ein wenig rumgelegen, mit Blick in den Himmel, wie in einer sehr sehr hoch aufgehängten Hängematte, ich hätte gerne die verschiedenen Ebenen des Netzes erkundet, ich hätte gern noch bewusster nach unten geguckt und mich gefreut und gewundert, daß das ohne große Panik möglich ist.

Nachdem wir uns wieder aus unseren Overalls gepellt hatten bewunderten wir die Installation noch ein bißchen von außen (von dort darf man übriges Fotos machen, innerhalb des Netzes geht das nicht), und ließen währenddessen unsere Körper und Köpfe erstmal wieder runterkommen.

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Eine Etage tiefer gab es noch das zu sehen, woraus Tomás Saraceno seine Inspiration für diese Arbeit zog: Spinnen. Ganz echte, die da einfach so herumhängen und vor sich hinspinnen und zugegebenermaßen ziemlich beeindruckende Gebilde formen. (Aber hey, Spinnennetze im Museum? Wir überlegen jetzt jedenfalls, was man so mit Wollmäusen anstellen könnte.)

Das Netz soll bis voraussichtlich Juni 2016 weiter geöffnet sein, alle Infos dazu gibt es hier.

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